Türkischer Tee – mehr als 100 Jahre Teetradition
Obwohl die türkische Teetradition erst etwas mehr als 100 Jahre zurückreicht, ist sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Türkischer Tee stellt die erste Wahl zum Frühstück dar und wird dann zu jeder Tageszeit gereicht. Gästen bietet man Cay vor und nach dem Essen an. Damit die mahagonibraune bis rötliche Farbe des beliebten Heißgetränks gut zur Geltung kommt, wird es in kleinen Gläsern serviert. Wer sich nicht die Finger verbrennen möchte, fasst diesen nur am oberen Rand an.
„Importiert” haben den Cay wahrscheinlich Händler der Seidenstraße. Erste eigene Anbauversuche der Türken Ende des 19. Jahrhunderts bei der damaligen Hauptstadt Bursa scheiterten jedoch. Erst als Soldaten im Ersten Weltkrieg im damals von Russland kontrollierten Georgien Teeplantagen entdecken, wagte man einen zweiten Versuch in der Provinz Rize – und hatte im feuchtwarmen Klima der Schwarzmeer-Region großen Erfolg! Heute hat die Türkei mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 2,7 Kilogramm Tee Großbritannien als fleißigste Teetrinker-Nation abgelöst.
Türkischer Tee – traditionelle Zubereitung
Für vollendeten Teegenuss bedarf es eines Caydanliks: Bei diesem handelt es sich um eine Art Samovar, einen Teekessel mit zwei Kannen, der durchaus auch in anspruchsvollen Ausführungen zu erhalten ist. Die Teebereitung erfolgt in zwei Schritten. Es wird ein starker schwarzer Tee aufgebrüht und später mit heißem Wasser aufgegossen.
Zuerst gibt man die leicht angefeuchteten Teeblätter in die obere kleine Kanne, den Demlik. Pro Glas rechnet die türkische Hausfrau dabei einen Teelöffel. Danach wird der untere Kessel zu zwei Dritteln mit möglichst kalkfreiem Wasser gefüllt und die obere Kanne als Deckel daraufgesetzt. Dann bringt man das Wasser auf der Herdplatte zum Kochen, um es anschließend in die obere Kanne zu gießen. Danach wird im unteren Teil erneut Wasser erhitzt, während der starke Teeaufguss im ersten Stock ziehen darf, bis die Blätter auf den Boden der Kanne gesunken sind.
Für die eigentliche Teezeremonie wird je nach Geschmack etwas mehr oder weniger von dem Teesud in ein Glas gegossen. Dann kommen zwei Teelöffel oder zwei Stück Zucker und heißes Wasser hinzu. Da die Türken ihren Tee nicht umrühren, reicht der Zucker für fünf Aufgüsse. Im Osten des Landes ist es üblich, den Zucker nicht in das Glas, sondern sich unter die Zunge zulegen. Dann genügt er sogar für 30 Aufgüsse. Die Zugabe von Milch ist – um den Geschmack des Tees nicht zu verfälschen – verpönt. Wer sich also nicht als Kulturbanause outen möchte, sollte besser nicht danach fragen. Grundsätzlich unterscheidet sich türkischer Tee durch seine Stärke: Ein schwacher Aufguss heißt „acik Cay”, wer seinen Tee gerne kräftig trinkt, sollte einen „koyu Cay” bestellen.
Die Teehäuser – eine Männerdomäne
Traditionelle Teehäuser gibt es in jedem noch so kleinen türkischen Dorf. Allerdings sind diese einfachen Lokale ausschließlich Männern vorbehalten. Diese diskutieren dort bei unzähligen Gläsern Tee das politische und gesellschaftliche Tagesgeschehen oder vertreiben sich die Zeit mit Brettspielen.